Familie Schneider und Emil
...und dann kam Emil...
Wenn ich so zurückdenke, wie es denn war, vor mehr als einem Jahr, als Emil zu uns kam, fällt mir auf, dass ich viel, viel weiter zurückgehen muss. Zwar kamen alle unsere Hunde aus dem Tierschutz, aber erst mit der Ankunft von Nico im Jahr 2006 interessierte ich mich mehr und mehr für die Situation der „Ungarnhunde“.
Nico kam über eine andere Organisation aus Ungarn ins Siegener Tierheim, es fand sich jedoch lange Zeit kein Übernehmer. Zugegeben, seine Figur war etwas außergewöhnlich - die extrem großen Stehohren, der lange Körper und die kurzen, krummen Beine, verbunden mit erstklassigen Kläffer-Qualitäten und Sturkopf-Manieren inkl. Kneifen, falls es nicht nach seinen Wünschen ging, machten es auch nicht einfach. So blieb er über ein Jahr lang mein Gassigängerhund und wir genossen zusammen mit unserer Lucy lange Spaziergänge. Dann, nach einer notwendigen Operation, die er bei uns zu Hause auskuriert hat (…gerissener Schachzug der TH-Mitarbeiter?… ) war klar, der kann natürlich nicht wieder zurück ins Tierheim, und so begann unser Leben mit ungarischem Zweithund. Nico war in all den Jahren für uns ein lustiger, liebenswerter und schlauer Freund, der uns jeden Tag zum Lachen brachte, und außerdem der beste Kumpel von Lucy und danach von Dinah.
Zu den Internetseiten, in denen ich immer wieder mal stöbere, kamen nun die Seiten von Organisationen dazu, die sich um Hunde in Ungarn kümmern. Zudem wollte ich etwas über Nicos Herkunft erfahren. Irgendwann landete ich auf der PHU-Seite und die ließ mich nicht mehr los. Ihr kennt das ja sicher auch, man sieht die Fotos eines bestimmten Hundes und man hofft so sehr, dass sie schnell ein schönes zu Hause finden. Mit fällt da z. B. Vera ein, sie musste lange warten, konnte dann durch das tolle Engagement einiger PHU- Forum-Mitglieder in ein deutsches Tierheim umziehen und fand über diesen Weg ein neues Zuhause. Ja, und im Mai 2010 sah ich auf einmal die Fotos von Emil. Das Emilchen war für mich eigentlich eine Nummer zu klein, er ähnelte jedoch dem Hund meiner Cousine und so sah ich immer wieder mal nach, ob Emil denn nun vermittelt ist.
Als wir im Januar 2012 ganz plötzlich und schweren Herzens unseren lieben, alten Nico gehen lassen mussten, wollten wir eigentlich erst einmal keinen neuen Hund ins Haus holen, die Trauer war zu groß und schließlich hatten wir ja auch noch unsere Dinah. Es war jedoch klar, wenn doch, muss es wieder ein Hund aus Ungarn sein. Das hatte ich schließlich Nico versprochen.
Es dauerte nicht lange, bis ich mir dann (heimlich) doch wieder Hunde auf verschiedenen Ungarn-Seiten ansah. Jedes Mal landete ich unweigerlich bei Emil von der PHU. Ich konnte gar nicht verstehen, wieso niemand den kleinen Kerl haben wollte. Doch dann wurde es mir klar – Emil war für uns bestimmt und wir für ihn. Denn plötzlich gab es Ende Februar 2012 neue Fotos von Emil und, oh Wunder, seine süßen Stehöhrchen, die er auf allen vorherigen Fotos fast zwei Jahre lang so erfolgreich versteckt hatte, waren zu sehen. Das konnte nur ein Zeichen von Nico sein! Sein leeres Körbchen und seine Spielzeuge, mit denen Dinah nichts anfangen konnte, sollte Emil bekommen.
Und dann ging auf einmal alles ganz schnell - ich glaube, ich habe die armen PHU-Mitarbeiter ganz schön genervt, weil ich die totale Panik hatte, dass Emil nicht mehr für uns zu haben ist – ja, ja, es sind zwar viele, viele andere Hunde da, aber er sollte es nun mal für uns sein. Die Vermittlerin, Daniela Bansche, hat am Telefon geduldig alle meine Fragen beantwortet und mir viele zusätzliche Informationen darüber gegeben, was alles sein könnte, wie die Übergabe abläuft und, und, und. Auch Heike Waffenschmidt, die zur Vorkontrolle bei uns war, hat uns ausführlich über alle Eventualitäten informiert …. und zum Glück hat sie mir bestätigt, dass sie nicht beabsichtigt, Emil selbst zu übernehmen – denn das hatte ich tatsächlich in der Nacht zuvor geträumt – Heike will Emil haben und wenn die Vermittler einen Hund haben wollen, gehen die vor…. Nach all den Gesprächen fühlten wir uns gut vorbereitet und waren vor allem sicher, dass das PHU-Team uns auch nach der Übernahme bei evtl. Problemen helfen würde.
Jetzt hieß es nur noch warten….. drei lange Wochen, die noch länger werden, wenn man mit Freunden oder Kollegen über das Für und Wider von „Blind-date-Übernahmen“ diskutieren muss (was macht ihr, wenn er sich mit Dinah nicht versteht, wenn er beißt, wenn er krank ist, euch die Wohnung zerlegt usw). Aber alle Vorbehalte und Einwände haben uns nur darin bestärkt, mit Emils Übernahme das Richtige zu tun. Und Wohnung zerlegen, zumindest in kleiner Form, kannten wir schon von Dinah. Meine Schreibtisch-Beine z. B. tragen heute noch Dinahs hübsche Verzierungen. Sie werden mich immer an sie erinnern.
Zu all der Aufregung hatten wir die ganze Zeit Angst, dass Emil noch etwas passieren könnte, vielleicht eine Beisserei, vielleicht eine Krankheit. Oder der Transporter hat einen Unfall oder, oder …..Da braucht man wirklich starke Nerven.
Endlich war Freitag, der 23. März 2013. Wir machten uns viel zu früh auf den Weg – dachten wir, denn wegen einer Autobahn-Vollsperrung mussten wir eine sehr lange Strecke Landstraße fahren und waren dadurch (und durch die halsbrecherische Fahrweise meines Mannes) wenigstens auf die Minute pünktlich am Treffpunkt. Ich hatte zuvor versucht, Gabor telefonisch zu erreichen – vergeblich, denn der war vermutlich mit anderen aufgeregten Übernehmern beschäftigt.
Und so haben wir eine halbe Stunde mit blanken Nerven gewartet und uns gefragt, ob wir den Transporter vielleicht doch verpasst hatten und Emil längst auf dem Weg Richtung Norden unterwegs ist. Mein Mann beruhigte mich „notfalls können wir ihm ja bis kurz vor Dänemark nachfahren“. Und dann, endlich, sahen wir den Transporter - eine halbe Stunde zu spät, weil sich zuvor ein anderer Übernehmer verspätet hatte. Ja, und dann zog Gabor Emil aus seiner Box (oben rechts, sozusagen direkt hinter dem Fahrersitz, ich habe es heute noch vor Augen), der wollte nicht so recht, zog den Kopf kurz zurück und brummte vor sich hin. Es gab aber kein Zurück, und dann schwupps, war die Leine am Halsband und ich hatte ich ihn auf dem Arm - und den Gedanken im Kopf „der Emil ist ja noch kleiner als ich dachte, aber sooooo süß…..“.
Die Übergabe war sehr aufregend, Gabor machte noch ein Foto (gibt es das eigentlich irgendwo zu sehen? ) und dann saß ich mit Emil auf der Autorückbank. Alle unsere Vorbereitungen wie extra vom TH Siegen ausgeliehenen Transportbox mit einer Decke von Dinah im Kofferraum, Rückbank mit Folie und Decken ausgelegt, Wasser und Leckerchen dabei etc. hätten wir uns sparen können – nach zwei Minuten hatte Emil alles durcheinander gebracht, die Folien zerknüllt, hüpfte auf mir umher, wollte unbedingt nach vorne zu meinem Mann und hat interessiert jedes Auto beobachtet, das uns überholt hat. Dann entdeckte er die Box hinter uns und ließ nichts unversucht, dorthin zu kommen. Erst nach anderthalb Stunden, kurz vor der Autobahnabfahrt, legte er sich neben mich und schien müde zu sein. Und dann waren wir endlich zu Hause. Emil wollte sehr gerne mit ins Haus und sprang als erstes auf den Wohnzimmertisch – dort gefiel es ihm anscheinend, weil er nach jeder Runde durch die ganze Wohnung wieder auf den Tisch sprang. Auf Tische springt er übrigens auch heute noch gerne, am liebsten auf den Schreibtisch und dann möglichst auf die Tastatur. Auf diese Weise hat er tatsächlich schon mal einer Freundin eine e-mail geschickt. Die konnte den Text nur nicht so richtig verstehen. Und in ein Bein des Wohnzimmertischs hat das Emilchen mit seinen kleinen Mäusezähnchen eine schöne Mulde geschnitzt, in die er prima den Kopf legen kann.
Da wir Dinah und Emil erst am nächsten Morgen draußen im Garten miteinander bekannt machen wollten, war der Plan, dass ich mit Emil im Wohnzimmer schlafe und Klaus mit Dinah oben im Schlafzimmer. An Schlaf war jedoch zunächst nicht zu denken – Emil hielt keine Ruhe, war völlig überdreht, wie ein kleines Kind. Sein Körbchen hatte ich neben das Sofa gestellt. Jedes Mal, wenn er sich hinein legte und ich, ohne damit aufzuhören, ihn zu streichen, vorsichtig versuchte, mich aufs Sofa zu legen, sprang er wieder auf mich und versuchte, sich neben meinen Kopf zu legen. Für uns beide war es aber zu eng und deswegen habe ich Emil in dieser Nacht mein Kopfkissen geschenkt, weil er unbedingt darauf liegen wollte. Dieses Kopfkissen liebt er immer noch heiß und innig. Es liegt nun in seinem Körbchen in unserem Schlafzimmer und im Bett schlafen kommt für ihn nicht in Frage – nur mal kurz kuscheln und dann geht’s ab - aufs Kopfkissen ins Körbchen.
Zum Glück verlief die Zusammenführung mit Dinah problemlos und so bringt Emil seit dem ersten Tag wieder den Schwung in die Bude, den wir ohne unseren Nico so vermisst hatten. Anfangs hat Emil immer versucht, die rohen Kartoffeln im Keller zu klauen, später wurden es dann Kekse, aber es kann auch mal eine Maus im Ganzen sein. Da ist er nicht wählerisch. Unsere liebe Dinah, eine stolze Spanierin, die immer vornehm die Vorderfüße übereinander legt, wenn sie Emils Treiben beobachtet, ist oft ganz entsetzt. Vermutlich denkt sie so manches Mal sehnsüchtig an ihr kurzes Einzelprinzessinnen-Dasein zurück. Wenn ich ihr empörtes Gebelle höre, weiß ich, dass Emil gerade wieder etwas anstellt. Er ist eben ein kleiner Schlawiner, dabei aber ein großer Herzensbrecher und natürlich kann ihm keiner wirklich böse sein. Zugegeben, seine süßen Stehöhrchen sind nicht so groß wie die von Nico, aber er kann sie in alle Richtungen drehen, ganz so, wie es gerade passend ist – nach hinten anliegend, wenn er etwas plant, was er nicht soll oder wenn er Dinah dazwischen funkt, wenn sie gestreichelt werden will, hoch aufgerichtet, wenn er draußen etwas entdeckt und beobachtet und seitlich quer, wenn er „gezwungen“ wird, im Regen draußen seine Geschäfte zu erledigen oder es beim Spaziergang unterwegs anfängt zu regnen.
Emil ist für uns ein großer Glückstreffer, kaum zu glauben, dass er knapp 2 Jahre im Tierheim saß. Allerdings würde er anscheinend viel lieber Dinah heißen, weil immer, wenn ich sie rufe, ist Emil wie der Blitz bei mir. Die Arme hat ihm anfangs öfter mal die Zähne gezeigt, wenn er ihr zu anstrengend wurde, das ist aber inzwischen Geschichte, und sie würde wohl, wenn sie reden könnte, immer nur sagen „der spinnt, der Emil“.
Ja, was gibt es noch zu sagen? Emil springt nach wie vor gerne über Tische und Bänke, Autofahren ist das Größte, wir mussten unsere Einzäunung um den Garten erhöhen (obwohl alle unsere anderen Hunde größer waren als er), denn anfangs wollte er zu gerne auch mal alleine die Nachbarschaft oder das weitere Umfeld erkunden – inzwischen haben wir die Erhöhung wieder entfernt, weil es ihm mittlerweile wichtiger ist, evtl. Eindringlinge wie die Nachbarhunde oder -katzen zu vertreiben. Er war sehr schnell stubenrein, markiert aber auch heute noch gerne an den unmöglichsten Stellen, z. B. an den Gardinen in der Wohnung meiner Mutter, aber nur, wenn sie Besuch hat. Emil konnte auch sehr schnell gut deutsch verstehen, nur die Bedeutung des Wortes „Nein“ vergisst er ab und zu. Sein größtes Ziel ist es nach wie vor, irgendwann einmal 24 Stunden am Tag gestreichelt zu werden – bis uns die Hände abfallen.
Wir sind sehr froh, dass „PHU-Abenteuer“ gewagt zu haben, und freuen uns jeden Tag über unseren Emil.
Liebe Grüße aus Siegen
Susanne mit Dinah, Emil und Klaus