Ungarnreise April 2017
Wo das Herz schlägt
Ungarn. Nie wäre mir im Traum eingefallen, jemals nach Ungarn zu reisen. Typische Ziele wie Mallorca, Spanien, Frankreich sind zwar auch nicht in meinem Interesse, aber Ungarn?
Seit ich Anfang des Jahres die Pfotenhilfe unterstütze, hat sich vieles in meinem Leben verändert. Jeder sucht in seinem Leben einen Sinn, etwas, das nachhallt, das auch noch Bestand hat, wenn man selbst nicht mehr ist. Ein Erbe, möchte man schon fast sagen.
Nun ist es zwar nicht so, dass ich diese Organisation ins Leben gerufen habe, aber hier habe ich die Möglichkeit gesehen, tatsächlich etwas zu bewirken. Aktive Unterstützung, das ist es, was ich seit Jahren gesucht habe. Geld ist notwendig und immer wieder gern gesehen, aber ich wollte mehr tun und gerne robbe ich durch den Schmutz, weil ich am Ende weiß, dass es etwas gebracht hat.
Solche Menschen braucht es auch in Vereinen und ein solcher Mensch wollte ich werden. Die Pfotenhilfe reichte mir die Hand und ich nahm sie – wenn auch mit Aufregung – gerne an.
In diesem Bericht möchte ich Ihnen meine ersten Eindrücke schildern. „Transparenz“ verlangen Kunden immer wieder von Unternehmen, denen sie ihr Geld anvertrauen. „Transparenz“ sollte aber auch in sozialen Hilfsorganisationen soweit möglich selbstverständlich sein. Wo gehen die Spendengelder hin? Handelt es sich um eine seriöse Arbeit? Was passiert vor Ort wirklich? Ist es in Ungarn tatsächlich so schlimm?
Davon wollte ich mich mit eigenen Augen überzeugen. Ich wollte hautnah erleben, was die Pfotenhilfe in Ungarn leistete. Ich muss gestehen, ich war doch ziemlich nervös, je näher der Tag der Abreise rückte. Zum einen konnte ich mein Glück kaum fassen, zum anderen fragte ich mich, was mich erwarten würde.
Ungarn brauchte nicht ohne Grund Hilfe. Würde ich Elend sehen? Und wenn ja, wie würde ich darauf reagieren? Jeder Mensch war anders gestrickt und ich reiste immerhin nicht dorthin, um Tag ein Tag aus die Hunde zu beschmusen (nicht ausschließlich …). Mit was würde mich dieses Land mit seinen eigenen Gepflogenheiten und Selbstverständlichkeiten, die einem fremd erscheinen mögen, konfrontieren? Ich war gespannt, dies in Erfahrung zu bringen und freute mich auf das Abenteuer, das mir bevorstand.
Karfreitag war gekommen und wir flogen am frühen Morgen. Davon abgesehen, dass es eine gar „unmenschliche“ Uhrzeit war, zu der wir bereitstehen mussten, war es auch mein allererster Flug. Die Aufregung nahm mir zumindest die Müdigkeit.
Frei heraus ist zu sagen, dass sowohl Hin- als auch Rückflug ein Erlebnis für mich waren. Viele haben Probleme zu fliegen. Ich für meinen Teil kann behaupten, dass die ersten Adrenalinstöße berauschend auf mich wirkten und die Augenblicke über den Wolken einfach nur atemberaubend schön waren.
Wir landeten in Budapest und ich durfte endlich ungarische Luft schnuppern. Für einen kurzen Augenblick keimte ein Hauch von Enttäuschung in mir auf. Ungarn hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Ländlicher. Uriger. Ich sollte noch schnell genug feststellen, welche Fehlschlüsse ich in den ersten Minuten doch schloss.
Gabor war unser Fahrer und holte uns ab, um uns direkt zur Swiss Ranch zu fahren. Und bereits auf der Fahrt wurde ich eines Besseren belehrt. Schnell verließen wir die Zivilisation und je weiter wir uns entfernten, desto mehr nahm die Landschaft ihren natürlichen Ursprung an.
Als wir die Ranch erreichten, waren die Hunde natürlich die ersten, die uns bereits wahrgenommen hatten. Mit lautem Bellen begrüßten sie uns und diejenigen, die frei herumliefen, kamen auch gleich ans Tor, um zu schauen, wer eingetroffen war. Für Anke, Petra und Gabor ein „alltäglicher“ Augenblick, für mich ein faszinierender Moment. Ich kannte weder die Hunde, noch die Menschen hier. Alles war neu und die ersten Eindrücke festigten sich in der Regel am meisten.
Ich erinnere mich noch daran, dass die Sonne schien und es ein wunderschöner Frühlingsmorgen war. Man zeigte mir die gesamte Ranch und stellte mir die einzelnen Hunde vor. Ich muss gestehen, ich konnte mir im Nachhinein natürlich nicht alle Namen merken. Trotzdem stellte ich fest, dass ich den ein und anderen wiedererkannte.
Die regelmäßigen Besuche auf der Website hatten sich bezahlt gemacht. Und wie anders die Hunde doch wirkten! Ein Bild konnte nur einen Moment einfangen – entweder war er geglückt oder eben nicht. Hier aber, lebendig und unverfälscht, kamen mir die Tiere vollkommen anders vor. Und auch die Ranch hatte etwas so Friedvolles, vielleicht sogar Idyllisches, dass ich mich von der ersten Sekunde an sehr, sehr wohlfühlte.
Der nächste Tag sollte mir zeigen, dass Ungarn auch eine „andere Seite“ hatte … Sie können sich sicherlich vorstellen, wie erschöpft ich am Ende des Tages war. Abends setzten wir uns zusammen und Anke, Petra und Gabor besprachen interne Angelegenheiten – Ideen und Planungen, die die nahe und ferne Zukunft betrafen. Am Ende des Tages fiel ich nur noch kaputt ins Bett meines Hotelzimmers und schlief wohl den Schlaf der Gerechten …
Der nächste Tag verlief weniger ruhig und wir hatten „volles Programm“, wie man so schön sagte. Er begann schon damit, dass ich von meinem Hotelbalkon aus einen kleinen Hund auf der Straße ausmachte. Ohne Besitzer streunte er herum. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich machte eine kurze Aufnahme und verließ sogleich mein Zimmer – doch leider war er bereits fort, als ich unten ankam. Ob ich überhaupt das Vertrauen des Hundes in dieser kurzen Zeit bekommen hätte … ich weiß es nicht. Ich zeigte den anderen mein Video, als sie mich abholten. Ob er tatsächlich ein Streuner oder nur entlaufen war, konnte man nicht sagen. Ich sah den Hund nie wieder.
Unser Tagesprogramm führte uns ins Tierheim in Csongrad. Eine Hündin war wieder gesund und sollte dorthin zurückgebracht werden. Kein leichter Schritt für alle Beteiligten, das sei direkt vorweggesagt. Mir gab es zumindest die Gelegenheit, das Tierheim, das von uns unterstützt wurde, ebenfalls in Augenschein zu nehmen.
Sie ahnen es bereits: mir verschlug es den Atem. Auch jetzt noch, wenn ich diese Zeilen schreibe und mich daran zurückerinnere, kann ich nur den Kopf schütteln und hoffen, dass die Tiere sehr schnell ein wunderschönes Zuhause finden. Die „Standard“-Verhältnisse in Ungarn waren geradezu katastrophal. Es war nicht einmal entscheidend, dass das Tierheim selbst mitten im Nirgendwo war und wir quer durch die Wiese fahren mussten, um dorthin zu gelangen.
Das erste, was uns auffiel, war nicht das laute Gebell der „Insassen“, sondern der Hund an der Kette. (Anmerkung: Es handelt sich nicht um Farkas, denn er hat mittlerweile seinen Zwinger. Leider musste ein anderer Hund seine Stelle einnehmen)
Es war ein junger Rüde und er wedelte heftig mit der Rute, als er uns sah. Ein Hund zur Abschreckung? Wir hatten keine Probleme, zu ihm zu gelangen und ihn zu streicheln. Er genoss unsere Nähe so sehr, dass er sich sogar auf den Rücken legte und diese Liebe glatt einforderte.
Vor Ort waren zwei Aktivisten. Jetzt dürfen Sie sich keine Aktivisten im deutschen Sinne vorstellen. Aktivisten sind in Ungarn Menschen, die sich ehrenamtlich beteiligen, mit den Hunden vielleicht einmal Gassi gehen usw.
Das Pärchen hatte einen schwarzen Hund an der Leine. Gabor sprach mit ihnen und schnell wurde uns klar, dass dieser Hund dringend Hilfe brauchte. Es handelt sich um Dämon – ein liebenswerter Kerl, den Sie bereits als Notfall kennengelernt haben. Er hatte schwere Entzündungen in den Ohren – vielleicht weiß Gott noch mehr, was auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich war.
Kurzerhand wurde beschlossen, dass wir ihn direkt mitnahmen, um ihn schnellstmöglich in Budapest in die Klinik zu bringen. Gabor brachte den Hund sicher im Wagen unter und wir betraten das Tierheim – oder eher die fragwürdige Unterbringung vieler Hunde.
Animal Hoarding. Unwillkürlich schoss mir dieser Begriff durch den Kopf und bis heute kann ich ihn nicht verdrängen. Dieser Ort hatte nichts, aber auch gar nichts mit der Ranch gemein.
Untergebracht mit mehreren Tieren in teils offenen Zwingern ohne schützendes Dach. Daneben Gebäude, denen man ansah, dass sie ihre besten Tage vor Jahrzehnten gehabt haben mussten. Die Fenster halb mit Brettern oder auch mit Gittern versperrt wie auch die Eingänge. Eingepfercht in diesen dunklen Löchern hausten ebenfalls Hunde. Ich hatte mit vielem gerechnet – aber damit?
Ein Hundepaar lief frei auf dem Gelände herum und schon rasch bemerkten wir, dass keiner von beiden kastriert und die Hündin sogar läufig war. Vollkommenes Unverständnis keimte auf und festigte sich mit jeder Minute, die ich dort länger verbrachte. Hier wurde mir mit einem harten Schlag ins Gesicht aufgezeigt, warum der Tierschutz in Ungarn so wichtig war.
Es galt nicht, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, sondern um zu veranschaulichen, wie man es anders machen konnte. Für ungarische Verhältnisse war diese Art der Unterbringung vollkommen normal. Der Leiter verhielt sich also rechtens und hatte in erster Linie gar keinen Grund, etwas daran zu ändern.
Ich erklärte mir dieses Verhalten so, dass Tiere in Ungarn eher Nutztiere als verschmuste Haustiere waren. Der Weg hierher hatte mir bereits vereinzelte, kleine Dörfer aufgezeigt – und ich kann Ihnen sagen, dass zu 98% eine Hundehütte in den Gärten war. Hunde waren also die lebende Alarmanlage, die das Heim vor Fremden beschützte. Hunde waren keine liebevollen Lebensbegleiter, mit denen man die Couch teilte und sich das Abendprogramm im TV ansah. Natürlich trifft das nicht auf ganz Ungarn zu, aber in den dörflicheren Gegenden schien dies der Grundgedanke zu sein. Ein Denken, an dem erst einmal gar nichts auszusetzen ist, wie ich finde.
Hunde wurden immerhin damals gezüchtet, um eben diese Tätigkeit zu verrichten. Sie sind keine Kuscheltiere, so gerne wir Deutschen uns gerade die kleinen Vertreter der Rasse aneignen, um eben diesen Status zu erreichen. Hier gab es noch sehr, sehr viel zu tun, um den Standard zu heben – ein Appell an das Verständnis vielleicht? Eine Arbeit, die auf keinen Fall in wenigen Monaten zu erledigen war. Es würde Jahre brauchen und je erfolgreicher es laufen würde, umso besser für die Tiere.
Die Rückkehr zur Ranch verlief recht still. So intensiv wir auf dem Hinweg miteinander gesprochen hatten, so ruhig war es nun um uns geworden. Ich ließ die Bilder Revue passieren, ließ Gedanken schweifen. „Wir sind wieder zurück im Mittelalter“ Worte, die in meinem Kopf widerhallten. Es brauchte eine Weile, bis jemand endlich zu sprechen begann und die bedrückende Stille durchbrach. Und ganz leise für mich war ich mir sicher, dass diese Momente sich noch oft wiederholen mochten …
Der Tag ging mit einem leckeren Grillfest mit Familie und Freunden zu Ende und vertrieb die trüben Gedanken. Viele neue Gesichter wurden mir vorgestellt und trotz der Verständigungsprobleme (bis auf Gabor konnte niemand Deutsch und Englisch war auch so gut wie gar nicht vertreten) hatten wir eine schöne, harmonische Zeit zusammen. Der Tag wurde zur Nacht und die Grillen spielten ihre Lieder.
Der Sonntag war meines Erachtens ein wundervoller Abschluss. Die Sonne schien und es war tatsächlich so warm, dass wir unsere Jacken ablegen konnten. Der heute Tag war der Ranch gewidmet.
Wir halfen fleißig mit, die einzelnen Gehege zu säubern. Daneben haben wir es nicht lassen können, schöne Fotos und Videoaufnahmen zu machen – diese werden für die Website und unseren Youtube-Kanal genutzt und bleiben Ihnen natürlich nicht vorenthalten.
Die Minuten in den Gehegen waren faszinierende Augenblicke für mich. Jeder Hund reagierte anders und da sie mich zuvor noch nie „gerochen“ hatten, war es natürlich noch ein besonderer Schritt von beiden Seiten aus, ins „Revier“ einzudringen. Ich kann Ihnen versichern, dass niemand – außer meine danach verdreckten Chucks – zu Schaden gekommen ist.
Einige Hunde blieben auf Abstand und schauten aufmerksam, andere trauten sich neugierig an einen heran und schnupperten. Ein Bursche freute sich sogar so sehr über den Besuch, dass ich meine wahre Mühe hatte, die Näpfe aufzusammeln, haha.
Das eigentliche Highlight des Tages stand uns allerdings noch bevor – und war nicht einmal geplant gewesen. Die Hunde bekommen täglich ihren Auslauf, damit sie sich ordentlich auspowern können. Und gerade, als es darum ging, unsere Senioren raus zu holen, kam von Gabor der Einwand, „irgendwann“ würde er die Junghunde mit den anderen zusammensetzen. Das wäre ein wichtiger Schritt für die Sozialisation der Hunde – und um Manieren zu lernen.
Und plötzlich machte es Klick. Und zwar mit Wucht. Waren die Fotoapparate und Videokameras bereit? Aber natürlich! Die Sonne schien, das Wetter war hervorragend, warum also nicht …? Gabor wühlte in einer Kiste und holte verschiedene Stangen und Ringen hervor – das kleine Unterhaltungs- und Beschäftigungsprogramm. Dann war es soweit und wir sahen gebannt zu.
Das erste Tor wurde geöffnet und Talpas, Farmer, Haver, Picur, Mariska und Luna liefen in den Auslauf. Das zweite Tor fiel auf und die Junghunde eines anderen Vereins preschten hervor. Und auf einmal waren viele Hunde um einen herum, wuselten, tollten, rannten … Was für ein bunter Haufen! Aber das genügte noch nicht, oh nein, es sollten mehr werden, noch mehr! Von hinten wurden noch Jessica und Apollo dazu genommen – auch die beiden sollten rasch etwas von den Großen lernen. Und ehe wir es uns versahen, war der Auslauf gefüllt von Hunden und man wusste gar nicht mehr, wohin man blicken, wo knipsen und filmen sollte.
Im Vertrauen kann ich Ihnen sagen, dass es auch eine sehr schlechte Idee ist, sich „ganz kurz“ für eine Aufnahme hinzuknien. Ha! So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie die Meute mich überrannte und Zuneigungen einforderte. Anke und Gabor hatten sich taktisch klug auf der Bank zurückgezogen, während Petra sich etwa in die Mitte positionierte und versuchte, alles mit der Kamera einzufangen – natürlich auch mein „Missgeschick“. Dankeschön.
Natürlich war nicht immer alles so friedlich. Es gab kleinere Reibereien, die Jungen wurden von den Alten manchmal belehrt. Aber zur freudigen Verwunderung aller blieb es auch dabei – keine Beißereien, keine Aggressionen. Talpas und Haver hielten sich bewusst im Hintergrund und der kleine Picur wirkte doch ein wenig überfordert mit der Situation, dafür preschte Jessica wie eine Irre immer wieder mit den anderen Junghunden quer über die Wiese.
Ich kann Ihnen sagen, dieses Mädel hat eindeutig Hummeln im Hintern! Apollo starb zu Anfang gefühlte tausend Tode, bis er sich endlich traute, sich von Mama Moni zu entfernen und auf kleine Erkundungstouren zu gehen.
Und Farmer … tja, Sie können es sich ja denken. Der arme, kleine Wuschel-Farmer brauchte ganz, ganz viel Liebe und natürlich bekam er sie auch. Wieder. Und wieder. Und immer wieder… So eine verschmuste Backe!
Wir verbrachten bestimmt den ganzen Mittag in diesem Auslauf. Nachdem die erste Aufregung sich gelegt hatte, kümmerte Gabor sich um andere Angelegenheiten und auch Petra machte sich nützlich. Anke und ich blieben noch eine Weile und genossen die Sonne, die warmen Temperaturen, die Hunde und … „Ach, frohe Ostern!“
Anke schaute mich ein wenig verdutzt an, dann mussten wir lachen. Vor lauter Hunden einfach das Osterfest vergessen. Wussten Sie eigentlich, dass in Ungarn Ostern ein wenig anders gefeiert wird? Es gibt einen Brauch an Ostermontag. Die Männer tragen den Frauen ein Gedicht vor und/oder machen sie nass. Als Dank erhalten Sie ein rotes Ei. Das sorgte doch für ungemeine Belustigung. Da steht das Mädchen also wie ein begossener Pudel vor dem Jungen und bedankt sich dafür mit einem Ei?
Leider konnten wir nicht ewig im Auslauf bleiben. Die Hunde wurden wieder in ihre Gehege zurückgebracht, dann hieß es wieder: Ran an den Speck … oder an den Schinken? Den gab es nämlich zu Abend, hmmmm!
Bis es aber soweit war, verdrückten Gabor und ich uns im kleinen Büro und kümmerten uns um technische Angelegenheiten. Können Sie erraten, worum es geht? Wir stöpselten Mikrofon und Kopfhörer an den PC, installierten Programme, besprachen uns, testeten, feilten herum … immer noch keine Idee?
Na, dann spann ich Sie nicht weiter auf die Folter: der Youtube-Kanal soll auch für die Menschen aus Ungarn zugänglich gemacht werden. Und in Zukunft war ja auch noch das Live-Streaming angedacht, Sie erinnern sich? Stellen Sie sich vor, Sie sitzen gemütlich am Wochenende beim Frühstück oder Brunch und schauen der Rasselbande im Auslauf zu. Kein Foto, das nur den Moment einfängt; sondern live und in Farbe!
Der Abend kam schneller als gedacht und im nächsten Moment fanden wir uns alle am Tisch beisammen und aßen den leckeren Schinken. Es war eine gesellige und lustige Runde. Wir hatten noch vieles zu bequatschen, lachten und freuten uns. Anke und ich lernten sogar noch wichtige, ungarische Worte und nahmen uns vor, die Sprache zu lernen. Und irgendwann war auch dieser Tag vorbei und das Bett rief. Am Morgen würden wir fit für den Rückflug sein müssen – auch wenn niemand von uns gehen mochte.
Wissen Sie, es war nur ein kurzes Wochenende. Aber es waren Tage mit vielen und vor allem tiefen Eindrücken. Ein Abenteuer, das hatte ich mir gewünscht. Und ich hatte ein Abenteuer bekommen, mein eigenes, mein ganz Spezielles.
Während ich diese Zeilen schreibe, denke ich gerne an die Momente zurück. Augenblicke, die mich bereichert haben. Ereignisse, die mich geprägt haben. Und ich kann Ihnen aus tiefstem Herzen sagen, dass das Gefühl eines Verlusts in mir aufkeimte, während wir uns dem Flughafen näherten. Ich würde alles zurücklassen, was ich kennen und lieben gelernt hatte. War das absurd?
Im Spaß hatte Anke mir vor der Reise einige Male schon gesagt: „Tja, und wenn es dich einmal gepackt hat …“ Was soll ich sagen? Das Gefühl, endlich wieder zuhause zu sein, kam in mir nicht auf. Ein wenig verlassen stand ich letztlich in meiner Wohnung, legte die Taschen beiseite und es blieb still. Ich trat an mein Aquarium und verbrachte lange Zeit bei meinen zwei Axolotln, beobachtete sie und hing Erinnerungen nach.
Ungarn war nicht nur eine Reise. Ungarn war ein Lebensabschnitt. Eine Erfahrung. Und ich will sie nicht missen wollen, geschweige denn keine weiteren Taten folgen lassen. Das war kein flüchtiger Besuch. Es war ein eigens erdachter Test: bin ich dem Ganzen gewachsen? Noch immer habe ich Fernweh und ich weiß: diese innere Unruhe findet erst dann ein jähes Ende, wenn der Gesang des Rudels wieder mein Ohr erreicht und fellige Flanken meine Beine streifen … denn dort schlägt das Herz.
Rebecca Beser