Aktuelle Meldung
Nachhaltiger Tierschutz durch Kastrationen
Tierschutz hat viele Seiten und sämtliche Bemühungen der vielfältigen Vereine und Organisationen sind auf ein Ziel gerichtet: das Leid der Tiere (in unserem Fall Straßenhunde und wildlebende Katzen) zu mindern.
Dies kann auf verschiedenste Weisen erfolgen, z.B. über ärztliche Versorgung direkt vor Ort, feste Futterplätze, Errichtung von Tierheimen oder Auffangstationen und auch über die Vermittlung von Hunden und Katzen nach Westeuropa (Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande) in vorkontrollierte Plätze.
Der Nachteil dieser Aktionen ist allerdings, dass sie nur das Symptom (die vielen Hunde und Katzen) behandeln. Den Auslöser der übermäßig vielen Straßenhunde und Katzen, (eine unkontrollierte Population), verliert man bei den akuten alltäglichen Problemen leider aus den Augen. Auch wenn man die Insassen eines kompletten Tierheims (z.B. aus Polen, Ungarn, Rumänien, Serbien, usw.) nach Deutschland bringen würde, wäre das Tierheim innerhalb weniger Tage (oder sogar Stunden) bereits wieder komplett gefüllt, da auf den Straßen, Hinterhöfen und Bauernhöfen unkontrolliert Nachwuchs produziert wird, welcher nachrücken würde.
Hier lassen wir die gewerblich handelnden Hundevermehrer und die leider viel zu oft auftretenden privaten, nicht gewollten „Zufallsproduktionen“ außer Acht und konzentrieren uns auf die herrenlosen Straßenhunde und -Katzen. Diese vermehren sich nicht mit Absicht, sie handeln nur natürlich und triebgesteuert, weswegen man ihnen keinen Vorwurf machen kann. Man kann allerdings eingreifen und so die Spirale der Vermehrung und deren Folgen unterbrechen.
Die einzige effektive und nachhaltige Strategie muss lauten: flächendeckende Kastration von Straßenhunden und Katzen (sowie das Angebot von vergünstigten oder kostenlosen Kastrationen für Privatpersonen).
Dadurch werden Tierheime und Auffangstationen auf lange Sicht drastisch entlastet, das Leid der Hunde und Katzen wird gemindert, da kein neues Leid produziert wird.
Das Problem der nachrückenden Hunde tritt vor allem dort auf, wo keine Kastrationen durchgeführt werden, sondern Straßenhunde in großem Ausmaß entweder a) getötet werden oder b) in Tierheimen untergebracht werden. Man erreicht damit für den Moment eine Verbesserung, indem die Hunde von der Straße weg sind. Auf längere Sicht gesehen, ist aber keine Verbesserung in Sicht, da die verbleibenden Hunde (Hundefänger finden nie alle Hunde) und Hunde aus der Umgebung a) nachrücken und b) nachproduzieren. Denn die vorhanden Ressourcen (z.B. Müllcontainer, weggeworfene Essensreste, verlassene Häuser) müssen nicht mehr durch viele Hunde, sondern nur noch durch die Übriggebliebenen geteilt werden, sodass der einzelne Hund mehr hat als vorher, er wird dadurch kräftiger, weniger Krank und kann sich dadurch besser und (im Fall von Rüden) öfters fortpflanzen. Und so wird die Lücke, die durch die Tötungen oder das Einfangen aufgetreten ist, innerhalb kurzer Zeit wieder geschlossen.
Ein Beispiel aus Italien: 1994 hat der Verein Lega Pro Animale (geleitet durch eine deutsche Tierärztin) begonnen, die auf dem Gelände einer italienischen Stahlfabrik lebenden Streuner zu kastrieren, zu registrieren und zu impfen. Das Gelände der Fabrik war 70 Quadratkilometer groß, die Fabrik beschäftigte über 25.000 Menschen, welche sich auch um die Hunde kümmerten (Wasser und Futter zur Verfügung gestellt haben). Während der ersten Aktivitätsphase (ca. 4 Monate) wurden 278 Hunde inkl. Welpen eingefangen, kastriert, markiert, geimpft und wieder ausgesetzt. Diese kurzfristigen Aktivitäten wurden in den folgenden Jahren wiederholt, sodass über den Zeitraum von 5 Jahren insgesamt 500 Hunde eingefangen und behandelt wurden. Im Jahr 2003, also 11 Jahre nach dem Beginn der Aktion, lebten weniger als 80 Tiere auf dem Gelände, im Vergleich zu über 500 1994. Die Mehrzahl der behandelten Hunde sind mittlerweile gestorben (auf natürliche Weise) und durch das Fehlen von Nachkommen, ist die Population in besagtem Gebiet ohne Qual und Totschlag auf unter 80 gesunken und in den folgenden Jahren wird sie noch weiter sinken. (Weitere Beispiele: hier)
Nachdem diese Zusammenhänge herausgefunden wurden, konnten darauf passende Konzepte entworfen werden. Das effektivste ist das Konzept des „einfangen – kastrieren/behandeln – registrieren und markieren - rückführen“. Hunde (oder Katzen) werden in ihren Bezirken eingefangen, kastriert und ggf. behandelt (z.B. gegen Würmer oder andere Krankheiten, in schlimmen Krankheitsfällen eingeschläfert), durch einen Chip in einer Datenbank registriert, am Ohr markiert (im Idealfall durch KLEINE Marken) und dann wieder in ihrem Bezirk ausgesetzt. Folge: die Hunde kennen a) ihre Bezirke und „Mitbewohner“ und werden diese Bezirke und damit Ressourcen vor fremden Hunden verteidigen und b) die Fortpflanzung der im Bezirk lebenden Hunde ist ab sofort gestoppt. Falls doch neue Hunde dazu kommen, werden diese ebenfalls dem oben skizzierten Szenario unterzogen. Sinn der Ohrmarken ist es, bereits kastrierte Hunde schon von weitem zu erkennen und somit in Ruhe lassen zu können. Wichtige Hinweise zur Ohrmarke: sie sollte klein (max. 1cm Durchmesser) und in einer auffälligen Farbe (rot, grün, blau) sein und kein Loch in der Mitte haben. Wir haben durch Kastrationsprojekte anderer Organisationen in Rumänien erfahren, dass Ohrmarken mit Loch ein Verletzungsrisiko bergen (der Hund kann mit der Kralle drin hängen bleiben, oder mit der Marke an Ästen Probleme bekommen). Des Weiteren erhöht sich das Infektionsrisiko, mit zunehmender Größe der Marke. Viele Hunde, die wir aus Rumänien nach Deutschland vermittelt haben, hatten entzündete, vereiterte und eingewachsene Ohrmarken.
Warum wird noch nicht flächendeckend kastriert? Diese Frage, die nach Lektüre dieses Textes natürlich aufkommt ist leicht zu beantworten, es gibt mehrere teilweise miteinander verwobene Antworten:
a) Kastrationen kosten zu Beginn sehr viel Geld (ÄrzteInnen und PflegerInnen müssen bezahlt werden, Aufwach- und Pflegestationen, sowie die benötigten Medikamente müssen zur Verfügung stehen )
b) Kastrationen „wirken“ nicht sofort, bevor sich das „Stadtbild“ und die Wahrnehmung der Bürger ändert müssen ca. 5-10 Jahre verstreichen. Diese Methode ist nicht schnell aber dafür Nachhaltig!
c) Das Töten von Hunden ist Kostengünstiger und schneller. In der Regel werden Straßenhunde nicht eingeschläfert, sondern totgeschlagen, verbrannt, aufgehangen, etc. was keine hohen Kosten verursacht.
- Dies geschieht entweder durch Firmen (welche mit dem Leid der Hunde sehr viel Geld verdienen und deswegen Lobbyarbeit bei Politikern betreiben, damit dies weiter so geschehen kann, derzeit praktizierte Form in Rumänien).
- Oder es geschieht durch Privatpersonen, welche eine Kopfpauschale z.B. bei Vorlage von Hundeköpfen beim zuständigen Amt erhalten (derzeit praktizierte Form in Rumänien). Diese Pauschale ist selbstredend billiger als eine Kastration, aber so hoch, dass es sich für die Menschen „lohnt“.
Ein wichtiger Aspekt kommt ebenfalls der Aufklärung der Bevölkerung zu, damit diese weiß was mit den Hunden geschieht und warum diese Taktik verfolgt wird. Gleichzeitig sollen sie aufgefordert werden, für ihre Hunde (und deren Nachkommen) Verantwortung zu übernehmen.
Nur mit flächendeckenden Kastrationen (inkl. Chipkennzeichnung) lässt sich die Straßenhundproblematik in den süd- und osteuropäischen Ländern in den Griff bekommen.
Denise Anton
für die Pfotenhilfe-Ungarn